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Barrierefreiheit – auch eine Frage der Haltung!

Frau Weyandt, Sie sind Architektin und seit gut sechs Jahren bei der Agentur beschäftigt. Dabei vertreten Sie neben dem Bereich Bauen auch das Aufgabenfeld Leichte Sprache. Wie meistern Sie den Spagat zwischen barrierefreiem Bauen und Leichter Sprache?

Lydia Weyandt: Es ist gar kein Spagat – auch wenn es sich erstmal so anhört. Denn obwohl beide Aufgabenbereiche recht unterschiedliche Arten von Barrieren aufweisen, haben sie doch ein gemeinsames Ziel: Barrieren im Alltag der Menschen abzubauen und allen Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die Barrieren in den Bereichen sehen nur anders aus:

Foto von Lydia Weyandt

Lydia Weyandt: Im Bereich Bauen werden offensichtliche Hürden wie Treppen durch Rampen oder Aufzüge ersetzt. Darüber hinaus gibt es auch oft übersehene Erschwernisse, insbesondere für Menschen mit Einschränkungen im Sehen oder Hören, beispielsweise eine kontrastarme Gestaltung von Gebäuden und fehlende akustische Unterstützungen für schwerhörige Personen. Mit diesen „unsichtbaren“ Hürden hat auch die Leichte Sprache zu kämpfen. Obwohl der gleichberechtigte Zugang zu wichtigen Informationen ein Menschenrecht ist, fehlen oft leicht verständliche Informationen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens: in der Politik, im Gesundheits- und Bildungswesen, bei Behörden, in Kultur und Sport.

Welche Aufgaben bearbeiten Sie gerade?

Lydia Weyandt: Im Bereich Bauen erstelle ich aktuell einen neuen Leitfaden zur DIN 18040-1, die die bauliche Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden regelt. Der Leitfaden ist eine Zusammenführung unserer bisherigen Baubroschüre und der Checkliste des Arbeitskreises der Behindertenbeauftragten, -koordinatorinnen und –koordinatoren von NRW. So erhalten die Nutzenden dieser Broschüre einerseits die in NRW geltenden Anforderungen der DIN in anschaulicher Form, als auch ergänzende hilfreiche und empfehlenswerte Extras für eine noch bessere Barrierefreiheit. Der Leitfaden wird Anfang 2024 erscheinen.

Im Bereich der Leichten Sprache schließen wir zum Jahresende das Projekt „Leicht gesagt und einfach gemacht: Vorsorge und Früherkennung von Darm- und Hautkrebs“ ab. In diesem Projekt haben wir zahlreiche Materialien wie Infohefte und Filme in Leichter Sprache erstellt. Diese Materialien werden auf der Webseite der Krebsgesellschaft NRW kostenlos zur Verfügung gestellt. Wichtig war uns dabei, dass Menschen aus der Zielgruppe mit am Projekt gearbeitet haben.

Wo sehen Sie persönlich noch Herausforderungen rund um das Thema Barrierefreiheit?

Lydia Weyandt: Das Bewusstsein für Barrierefreiheit in der Gesellschaft und insbesondere bei Entscheidungsträgern weist durchaus noch Entwicklungspotenzial auf. Es wäre leichter, wenn das Thema Barrierefreiheit innerhalb der Ausbildung flächendeckend verankert wäre, beispielsweise im Bereich der Architektur oder der Verwaltung, aber auch bei Berufen, in denen Texte für die Öffentlichkeit verfasst werden. Wenn Barrierefreiheit von Anfang an als Selbstverständlichkeit mitgedacht wird im Sinne eines „Design für alle“, dann würden nicht nur Menschen mit Einschränkungen davon profitieren, sondern wir alle. Dafür setzen wir uns in unseren Beratungen und Seminaren mit Herzblut ein.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 10 bzw. 20 Jahre hinsichtlich der Barrierefreiheit?

Lydia Weyandt: Ich wünsche mir, dass es keine weiteren 10 oder 20 Jahre dauert, bis es selbstverständlich ist, dass auch Menschen mit komplexen Behinderungen shoppen oder ins Kino gehen können – einfach weil es geht, weil es ausreichend große Toiletten für sie gibt und die baulichen Gegebenheiten es möglich machen.

Ich wünsche mir, dass es nicht erst in 10 Jahren in allen relevanten Bereichen des Lebens leicht verständliche Informationen gibt, damit alle Menschen selbstbestimmt Entscheidungen für ihr Leben treffen können, auch diejenigen, die unsere deutsche Sprache nicht so gut beherrschen.

Wir beenden unsere Seminare gerne mit dem Satz: Barrierefreiheit ist eine Haltung! Ich wünsche mir, dass gemeinsam mit den betroffenen Menschen weiter an der Umsetzung von Barrierefreiheit gearbeitet wird und nicht über ihre Köpfe hinweg.

 

-- aus unserer Newsletter-Doppelausgabe November & Dezember 2023 --

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